Krafttraining mit Bogenbezug
Krafttraining an und mit dem Bogenequipment
Krafttraining: Grundlagen für den Muskelaufbau
Neben dem Techniktraining für das Bogenschießen ist auch das Krafttraining für Bogenschützen wichtig. Unter Krafttraining versteht man die Steigerung der Muskelmasse bzw. die Fähigkeit mehr Kraft aufbringen zu können. In der Theorie ist das eigentlich ganz einfach. Unser Körper ist von Grund auf faul. Mache würden auch sagen er ist effizient. Was der Körper meint nicht zu benötigen wird abgeschafft oder reduziert. Einfach weil es unnötig Ressourcen bindet bzw. verbraucht. Außerdem hat er die Angewohnheit für schlechte Zeiten vorsorgen zu wollen. Und das macht er mit einer ausgeprägten Vorratshaltung (insbesondere am Bauch :-)). Diese Angewohnheit von unserem menschlichen Körper führt zu folgenden Aussagen:
- Werden deine Muskeln nicht gefordert bzw. ausgenutzt, dann werden diese reduziert.
- Nimmst du mehr Energie zu dir als zu verbrauchst, dann nimmst du zu.
Diese beiden Aussagen bilden die Basis für die Grundlagen des Krafttrainings. Wenn du jetzt aber gleich losrennen willst um schwere Gewichte zu stemmen und du gleichzeitig auf Diät gehst, dann ist das eine schlechte Idee.
Abnehmen und Krafttraining
Abnehmen und Krafttraining passt wunderbar zusammen. Was aber nicht sehr effektiv zusammen geht ist Muskelaufbau und Abnehmen.
Warum passt ersteres gut zusammen aber letzteres nicht?
Abnehmen tut man wenn man weniger Energie (Nahrung & Co.) zu sich nimmt als der Körper verbraucht. Zunehmen (die gute alte Vorratshaltung) wirst du wenn du mehr Energie aufnimmst als du verbrauchst.
Nehme wir also an du hast ein Kaloriendefizit. Ein Kaloriendefizit besteht wenn man weniger Energie (in Form von Kalorien) zu sich nimmt als man benötigt.
Der Körper hat, vereinfacht ausgedrückt, bei einem Defizit zwei Alternativen. Er stellt die Arbeit (teilweise) ein, oder er nutzt seine Reserven und verbraucht diese. Die Arbeit einstellen ist nicht so gut. Man will ja Leistung bringen bzw. am Leben bleiben. Also wird der Körper zuerst an die Reserven gehen. Reserven ist nahezu alles was er meint nicht zu benötigen. Da gehört das unnötige Fett dazu, aber auch deine Muskeln die dein Körper meint nicht mehr zu benötigen. Daher passt Muskelaufbau und Abnehmen nicht zusammen!
Bei absoluten Neulingen im Krafttraining geht das halbwegs, da keine ausgeprägte Muskelgrundsubstanz da ist. Aber es kommt schnell der Punkt an dem es nicht mehr geht.
Die Lösung ist in diesem Fall:
- Erst Abnehmen dann Muskelaufbau
- Beim Abnehmen dem Körper signalisieren das die Muskeln noch benötigt werden. (damit er diese nicht übermäßig abbaut)
und deshalb passt Abnehmen und Krafttraining zusammen. Durch dein Kaloriendefizit nimmst du ab, und durch das Krafttraining signalisiert du dem Körper das die Muskeln noch benötigt werden und er gefälligst die anderen Reserven nutzen soll.
Muskelwachstum anregen
Du bist nun mit deinem aktuellen Gewicht zufrieden und willst Muskeln aufbauen. Glückwunsch, du wirst ab jetzt zunehmen. 🙂 Denn auch Muskeln wiegen etwas! Und damit etwas Wachsen kann muss mehr Energie da sein als du aktuell verbrauchst (nennt sich dann Kalorienüberschuss). Das Blöde am Kalorienüberschuss ist das du nur wenig steuern kannst was Fett und was Muskeln wird.
Einziger Tipp dazu: Gesunde und proteinreiche Ernährung und nur einen relativ kleinen Kalorienüberschuss erzeugen.
Du hast nun die Ernährung im Griff. Was musst du nun tun damit die Muskeln wachsen? Sie belasten. Denn wie oben geschrieben: Was nicht an Muskeln benötigt wird, das wird abgebaut. Dadurch gilt aber auch: Was nicht ausreicht wird aufgebaut. Wichtig ist hier zu wissen: Die Muskeln wachsen nicht im Training sondern in der Regenerationsphase danach.
Tipp 1: Muskeln kontinuierlichen (aber nicht übertrieben) Überbelasten
Durch die ÜBERbelastungsagst du deinem Köper das die Muskeln nicht ausreichen und er gefälligst diese verstärken soll. Da sich unser Körper aber nicht durch einmalige Belastungen austricksen lässt, muss diese Überbelastung durch Krafttraining regelmäßig erfolgen.
Tipp 2: Die richtige Trainingsintensität
Eine hohe Trainingsintensität kennzeichnet ein kurze und schwere Belastung (z.b. 100m Sprint). Eine niedrige Intensität eine lange andauernde Belastung (z.B. Marathon).
Durch eine hohe Trainingsintensität sorgst du dafür das eine Kraftsteigerung eintritt und die intramuskulären Koordination verbessert wird. Bei einer niedrigen Trainingsintensität wird dein Körper primär deine Ausdauerfähigkeiten und weniger die Kraft verbessern.
Sorge also im Krafttraining dafür das du kurze und schwere Belastungen hast (klassisches Krafttraining).
Tipp 3: Mehr Grundübungen, weniger Einzelübungen
Grundübungen sind dabei Übungen die möglichst viele, wenn nicht gar alle der folgenden Punkte erfüllen.
- Natürliches Bewegungsmuster (damit Alltagsrelevant)
- Beansprucht viele Muskeln gleichzeitig (du willst ja nicht nur einen Muskel stärker machen sondern allgemein mehr Fitness haben)
- Es sind mehrer Gelenke beansprucht (Dadurch auch größere Bereich des Körpers. Du willst ja nicht nur am großen Zeh stärker werden)
Die bekanntesten und effektivsten Grundübungen werden auch die „Big Five” genannt. Die sind:
- Kniebeugen
- Kreuzheben
- Drücken
- Ziehen
- Ausfallschritte
- Rumpf-Rotation
Krafttraining speziell für das Bogenschießen
Neben dem allgemeinen Kraft- und Cardiotraining ist es ratsam auch ein "bogennahes" Krafttraining zu absolvieren. Bei dem allgemeinen Training trainiert man den gesamten Körper. Beim bogennahen Training speziell die Muskeln/Gelenke/Sehnen die für den Bogensport in diversen Disziplinen gebraucht werden. Für Bogenschützen die an Turnieren teilnehmen ist ein derartiges Training sehr wichtig. Erlangt man doch dadurch erst die notwendige Kondition auch den letzten Pfeil im Wettkampf mit der selben Leichtigkeit wie den ersten zu schießen. Insbesondere auf Mehrtagesturnieren wie z.B. der EBHC oder EIAC ist dieser Aspekt sehr wichtig.
ich möchte euch hier eine Trainingsmethode vorstellen die von Kisik Lee (Koreaner) entwickelt wurde. Kisik Lee ist wohl einer der aktuell bekanntesten Bogentrainer weltweit.
Kisik Lee hat mehrere Mannschaften zu den Olympischen Spielen geführt die dort dann zahlreiche Goldmedaillen gewonnen haben. So war er u.A. von 1981 bis 1997 Cheftrainer von Korea und gewann dort acht Goldmedaillen bei den Olympischen Spielen. Seit 2006 leitet er erfolgreich das Team aus den USA als Cheftrainer.
Das in den USA verwendete National Training System (N.T.S.) wurde von ihm entwickelt. Das N.T.S. ist das offizielle Trainingssystem, das die Trainer erlernen müssen, um vom Bogenverband der USA zertifiziert zu werden. Ebenfalls von Lee entwickelt ist der KSL Schusszyklus (KSL Shot Cycle II). Darin unterteilt er den Schußablauf eines Bogenschützen in vier Phasen mit insgesamt zwölf definierten Schritte. (link: KSL Schusszyklus II )
Da er natürlich auch das Krafttraining nicht vernachlässigt hat er das sogenannte SPT (Spezifisches Physisches Training) über die Jahre entwickelt. Bei dieser Methode werden gezielt Muskeln, unter Verwendung von Bogenequipment, trainiert, die für den Schußablauf des Schützen notwendig sind.
Und diese Methode werde ich euch nun vorstellen.
SPT - Specific Physical Training
SPT steht für Spezifisches Physisches Training. Es dient dazu mit Hilfe der Bogenausrüstung ein Muskeltraining durchzuführen. Das Training beinhaltet dabei die Schwerpunkte Ausdauer, Kraft/Stärke und Flexibilität. Es ist auch gut geeignet für Bogenschützen die nicht in der Lage sind Vollzeit zu trainieren. Zum Beispiel weil sie häufig auf Reisen sind. Durch das SPT-Training erhalten sie die notwendige Kraft und Kontrolle für den Schussprozess. Wenn kein Bogen zur Hand ist, dann kann das Training u.U. auch mit einem Gummiband / Widerstandsband durchgeführt werden. (sollte aber die Ausnahme bleiben)
Folgende Empfehlungen werden dabei gegeben:
- Bogenschützen im Alter bis 11 Jahren
Übungen mit einem Gummiband / Widerstandsband durchführen - Bogenschützen zwischen 12 und 15 Jahren
Übungen mit einem Bogen durchführen der weniger Zuggewicht hat als der üblich verwendete Turnierbogen. - Bogenschützen mit einem Alter von 16+ Jahren
Übungen mit dem üblich verwendeten Bogen durchführen.
Das Trainingssystem SPT besteht aus vier Einheiten
- SPT 1 - Ausdauer
Dies Einheit beschäftigt sich damit das man Ausdauer aufbaut um den Bogen konstant und gleichbleibend komplett auszuziehen. Damit steigert man die Fähigkeit, das Bogenspannen über einen langen Zeitraum (z.B. langes Turnier) hinweg zu tun. - SPT 2 - Kraft / Stärke
Hilft beim Kraftaufbau damit einem der Weg in den Vollauszug möglichst mühelos gelingt. 'Dabei liegt der Fokus auf dem Auszug zwischen den Phasen "Setup" und "Loading" (Punkt 5 bis 8 im KSL Schusszyklus (KSL Shot Cycle II)) - SPT 3 - Flexibilität
Diese Übung wird auch ab und an "clicker-Training" genannt. Es dient dazu die Muskulatur zu trainieren für den letzten Bereich des Auszugs zu trainieren (insb. der Rückenspannung). Dieser Trainingsbestandteil ist bevorzugt für olympische Recurveschützen die einen Clicker verwenden. Aber auch für Schützen deren Bogen keinen Clicker haben ist die Übung relevant da damit die Bewegungsmöglichkeit um den Vollauszug herum trainiert wird . - SPT 4 - Struktur
Insbesondere bei Anfängern oder bei Schützen mit Problemen bei der Schulterhaltung/position wird diese Übung verwendet. Diese Übung sieht sehr komisch aus, ist aber effektiv :-).
SPT 1 - Ausdauer
Bei dieser Übung handelt es sich um eine "Halteübung". Dazu verwendet man seinen Bogen ohne Pfeil (oder ein Wiederstandsband).
Idealerweise hat man auch etwas vor sich das als "Ziel" zur Orientierung dient.
Und so geht die Übung:
Man zieht den Bogen so aus wie man es gewohnt ist und geht in den Vollauszug. Dabei ist auf die richtige Technik zu achten.
Dann hält man diese Position für 30 Sekunden bis 1 Minute. Dabei zielt man auf das Ziel vor einem damit die Bogenausrichtung etc. möglichst realistisch bleibt. (kein Verwackeln/Wandern des Bogens).
Nach der Haltezeit entspannt man und macht Pause. Die Pausenlänge sollte ca. das doppelte der Haltezeit sein. Wenn man eine Minute im Vollauszug durchgehalten hat, dann macht man ca. zwei Minuten Pause vor der nächsten Wiederholung. Das wiederholt man nun 10x. (Zehn Wiederholungen)
Achtung: NICHT die Sehen beim entspannen loslassen (Leerschuss)!
Hinweis: Ab der 5 bis 7ten Wiederholung sollte es anfangen schwer gehen. Am Anfang wird es sehr schwer die zehn Wiederholungen überhaupt zu schaffen. Wenn ihr merkt das die Technik unsauber wird, dann hört auf. Auch wenn die zehn Wiederholungen noch nicht erreicht sind. Safety first und versaut euch nicht eure Technik.
Wenn ihr zehn Wiederholungen mit jeweils einer Minute Haltedauer mühelos schafft, dann nehmt etwas mehr Zuggewicht oder ein stärkeres Gummiband zur Unterstützung. Aber überlastet euch nicht und geht auch nicht über die eine Minute Haltedauer großartig hinaus. Diese Übung stellt ein gutes Krafttraining für die ober und hintere Rückenmuskulatur dar.
SPT 3 - Flexibilität
Diese Trainingseinheit dient dazu die Muskulatur zu stretchen um etwas mehr Spielraum im Bereich des Vollauszugs zu haben. Man verwendet für die Übung idealerweise den Bogen zusammen mit dem Pfeil.
Strechen bzw. Dehnen ist ein integraler Bestandteil von einem Krafttraining. Denn auch wenn man "Kraft" trainieren will, beweglich und flexibel sollte man dazu sein.
Eine Zielscheibe ist auch von Vorteil. denn im Falle eines versehentlichen Release des Pfeiles schlägt der Pfeil dann nur auf einer Zielscheibe ein und nicht woanders. (Sicherheit !)
Man führt die Übung wie folgt aus: Man nocked den Pfeil ein und geht ganz normal in den Vollauszug. Hierbei ist auch wieder auf die korrekte und saubere Technik zu achten. Hört man nun den Clicker bzw. ist in der Position wo man normalerweise den Pfeil loslässt, dann zieht man langsam noch mal 1 bis 2 cm weiter aus. Dabei darf sich jedoch nicht die grundsätzliche Ausrichtung/Haltung des Oberkörpers verändern (ziehender Ellenbogen in einer Linie mit dem Pfeil). Durch diese "Extrawegstrecke" dehnt man seine Rückenmuskulatur weiter als üblich und bekommt daher etwas mehr Bewegungsspielraum.
Für diesen zusätzlichen Auszug sollte man ca. 5 bis 10 Sekunden benötigen.
Dann macht man ca. 30 Sekunden Pause und Wiederholt den Vorgang. Das macht man fünf mal und hat damit dann einen Satz fertig.
Insgesamt macht man die Übung über ca. 5 Sätze (5x 5 Wiederholungen), und macht dabei zwischen den Sätzen jeweils ein Pausen von ca. 2 Minuten länge.
Achtung: Wenn die Pfeile knapp auf die normale Auszugslänge des Schützen gekürzt sind, dann kann durch den weiteren Auszug der Pfeil von der Auflage rutschen. Daher immer einen ausreichend langen Übungspfeil hierfür verwenden.
Und auch hier gilt: Saubere Technik geht vor Übungsabschluss!
SPT 2 - Kraft / Stärke
Diese Übung ist vergleichbar mit einer Übung im Krafttraining für die Arme (z.B. Kurzhantel-Bicepscurls).
Die Übung wird wie folgt ausgeführt.
Man geht in die Set-Up Position. Das ist die Position wo der bogen schon hoch genommen wurde und die Finger in der Sehne sind. Der Bogen steht also unter Vorspannung, man hat jedoch noch nicht voll ausgezogen.
Dann geht man in Vollauszug. Und zwar unter Beibehaltung der richtigen Schusstechnik. Denn Vollauszug hält man dann ca. drei bis fünf Sekunden und geht dann zurück in die Set-Up Position.
Das Wiederholt man nun ohne Pause fünf bis zehn mal. Dann ist der Satz ("Set") fertig. Am Satzende legt man eine Pause von ca. 3 bis 5 Minuten und fängt dann das nächste Set mit 10 Wiederholungen an.
Insgesamt macht man drei bis fünf Sätze. (In Summe bis zu fünfzig Wiederholungen)
Achtung: Man setzt den Bogen nicht ab und man macht auch nicht versehentlich einen Leerschuss!
Wichtig : Auch hier geht saubere Technik vor Satzerreichung. Wenn ihr merkt das euch die Kraft fehlt und die Technik unsauber wird, dann beendet den Satz und macht eine Pause.
Set-Up Position
SPT 4 - Struktur
Diese Übung eignet sich hervorragend für das Aufwärmprogramm, für Schützen die am Anfang stehen oder für Schützen die Probleme mit der richtigen Schulterposition haben.
Es geht dabei um das Vermitteln des richtigen Gefühls für die Muskelgruppen. Diese Übung sieht sehr "strange" aus. Aufmerksame Blicke eurer Trainingskollegen sind euch sicher 🙂
Wie führt man nun diese Übung durch?
Nehmt eureren Bogen (ohne Pfeil) und geht normal in Position. Aber anstelle in den normalen Vollauszug zieht hier die Sehen hinter den Kopf .
Die Rückenmuskeln werden hierbei bei vollem Zug sehr anspannen. Zumindest wenn ihr die Übung richtig macht 🙂 Diese Übung zwingt euch, eure Rückenmuskeln zu nutzen und nicht versehentlich aus dem Arm heraus zu arbeiten.
Fünf bis zehn Wiederholungen mit jeweils 5 Sekunden Haltedauer dürften ausreichend sein.
Achtung: Die Haltung ist ungewohnt und man muss aufpassen das man nicht versehentlich die Sehne loslässt (Leerschuss!). Übt diese Übung besser vorher mal mit einem Widerstandsband!
Abschließende Bemerkungen
Das Krafttraining liest sich leicht, ist aber alles andere als das. Stellt eurer Ego hinten an. Manch einer Übersetzt SPT auch mit "Schwere Physische Tortur (Folter)“. Insbesondere wenn man dieses Training mehrmals die Woche für min. 1 Stunde durchführt.
Trotzdem nicht den Spaß verlieren !