Traditionelles Bogenschießen - Eine Annäherung an das Thema

Was ist traditionelles Bogenschießen?

In letzter Zeit wird sehr viel über traditionelles Bogenschießen gesprochen und berichtet. Aber was versteht man darunter? Wo ist die Abgrenzung zu dem Bogenschießen im allgemeinen bzw. zu anderen Bogenarten?
Laut Wikipedia ist das traditionelle Bogenschießen "das Bogenschießen ohne Bogenvisiere oder andere technische Zusatzausstattung am Bogen". Als zusätzliches Kriterium gilt die Bauweise und Materialauswahl von Pfeil und Bogen. die Bauweise und das Material sollte historischen Vorbildern zumindest nahe kommen bzw. daran angelehnt sein.
Zusammengefasst könnte man also sagen das wenn jemand vom traditionellen Bogenschießen redet er folgende Kriterien heranzieht:

  • Bauweise und Materialauswahl von Pfeil und Bogen an historischen Vorbildern angelehnt
  • Keine Verwendung eines Bogenvisiers
  • Keine technischen Zusatzausstattungen am Bogen wie z.B. einer modernen Pfeilauflage mit Button

Diese Definition ist nach meiner Auffassung auch die Definition die von den meisten Bogenschützen für das traditionelle Bogenschießen verwendet wird. Fred Bear und Howard Hill, zwei der bekanntesten Bogenschützen in diesem Bereich, etablierten in den 1980er Jahren den Begriff „Traditional Archery“ mit weitgehenden diesen Kriterien.

Es muss aber gesagt werden das diese Definition des traditionellen Bogenschießens nicht eine allgemein gültige Definition ist. Es gibt durchaus auch andere Ansichten darüber. Nachfolgen zeige ich die Abgrenzung zu anderen Begriffen in diesem Umfeld.

Geschichte des traditionellen Bogenschießens

Geschichtlich ist das traditionelle Bogenschießen, anders als der Namen vermuten lässt, eine eher junge Erscheinung. Als sich das Bogenschießen immer mehr zu eine Sportart mit unterschiedlichen Bogendisziplinen entwickelten, wurden auch die Sportbögen immer leistungsfähiger. Moderne Materialien wie Carbon, Glas oder Aluminium fanden Einzug in den Bogenbau. Aber auch die Art des Bogen wandelte sich. Die Recurvebogen wurden durch neue Geometrien und Bauweisen immer leistungsfähiger. Die wohl technisch ausgefeilteste Weiterentwicklung des Bogens ist der Compoundbogen. Der Compound ist in den 1970er-Jahren zum ersten mal in der Bogensportwelt aufgetaucht und legte seit dem eine beeindruckende Weiterentwicklung dar.

Das traditionelle Bogenschießen ist hier als eine Art Gegenbewegung entstanden. Man wollte zurück zu den Wurzeln des Bogenschießens und weg von der hochgezüchteten Technik. Das heutzutage aber auch traditionelle Bogenbauer und -schützen ihr Material bis an die Grenzen optimieren und verbessern ist dann ein anderes Thema. Auch traditionelle Schützen mögen "Leistung".  So haben z.B. hochwertige Carbonpfeile die vorher üblichen Holzpfeile im Bereich des traditionellen Recurvenbogens verdrängt. Bei Langbogenschützen ist der Holzpfeil noch oft zu sehen, aber auch hier kommt vermehrt Carbon zum Einsatz. Hier hängt es nicht selten auch an den Vorgaben des Verbandes für die Langbogenklasse ab. Bei den Reiterbögen und insbesondere bei den Primitivbögen sind Holzpfeile dagegen noch sehr weit verbreitet.

Traditionelles Bogenschießen einer Bogenschützin

Traditionelles Bogenschießen mit einem traditionellen Blankbogen

Das intuitive Bogenschießen und die Abgrenzung zum traditionellen Bogenschießen

Nicht selten wir der Begriff "intuitives Bogenschießen" synonym mit dem "traditionellen Bogenschießen" verwendet. Mit "intuitivem" Bogenschießen wird alles bezeichnet bei dem der Bogenschütze keinerlei Zielhilfen (z.b. Visier) oder spezielle Zieltechniken wie z.B. dem GAP-Shooting verwendet. Der Schütze verlässt sich ganz auf seine Intuition um das Ziel zu treffen. Ein passendes Synonym das auch häufig verwendet wird ist das instinktive Bogenschießen.

Welcher Bogen er dazu verwendet ist dabei irrelevant. Theoretisch kann auch ein Compound-Bogen oder ein High-Tech Recurvebogen intuitiv geschossen werden. Und das ist genau der Punkt weshalb ich persönlich diese beiden Begriffe auseinander halte. Das intuitive Bogenschießen kann Bestandteil des traditionellen Bogenschießen sein, aber auch mancher intuitive Bogenschütze muss nicht zu den traditionellen Bogenschützen gehören.

Aber auch traditionelle Bogenschützen sind nicht automatisch intuitive Bogenschütze. Denn ein traditioneller Bogenschütze der eine Zieltechnik wie das GAP-Shooting oder dem "Point of Aim" anwendet, gehört streng genommen nicht mehr zu den intuitiven Bogenschützen. Verwendet ein Bogenschütze den Pfeil und Bogen als Zielhilfe, dann bezeichnet man das als Systemschießen.

Aber Achtung: Dieses Thema ist ein sehr kontrovers diskutiertes Thema in Foren und persönlichen Gesprächen mit trad. Bogenschützen. Denn auch beim intuitiven Bogenschießen zielt man in irgendeiner Form. Wenn auch nur unterbewusst aufgrund der antrainierten Erfahrung.

Blankbogenschützin mit modernem Blankbogen

Moderner Blankbogen

Das Blankbogenschießen und die Abgrenzung zum traditionellen Bogenschießen

Unter einem Blankbogen versteht man einen Bogen ohne Visier und Stabilisatoren. Eine Pfeilauflage und Button oder Zusatzgewichte am Mittelstück sind jedoch erlaubt. Auch ist das Material und die Bauart des Bogens in diesem Fall weitgehend egal.

Bogenschützen welche das traditionelle Bogenschießen ausüben gehören durch den Verzicht auf Visier und Anbauzubehör automatisch auch zu den Blankbogenschützen. Auch nahezu alle Intuitiv/instinktiv-Schützen sind Bestandteil der Blankbogenklasse.  Hier bilden lediglich die Schützen die zwar ohne Visier, aber mit Stabilisatoren schießen eine Ausnahme. Darunter fällt z.B. ein "olympischer Recurvebogenschütze" der sein Visier entfernt hat.

Die Blankbögen stellen je nach Verband eine eigene Klasse dar. in einigen Verbänden werden die Blankbögen noch in weitere Klassen unterteilt. Diese weitere Unterteilung ist durchaus sinnvoll. Denn ein Blankbogenschütze der vom Shelf schießt und kein String- oder Facewalking betreibt (Systemschießen), ist einem modernen High-Tech Blankbogen mit Pfeilauflage, Button und ggf. Zusatzgewichten bei vergleichbarem Können des Schützen bei Wettkämpfen deutlich unterlegen. Traditionelle Bogenschützen sollten dies bei der Wahl ihreres Verbandes Berücksichtigen sofern sie Turnierteilnahmen und Turniererfolge anstreben.

Für das Training selbst ist es eher irrelevant welchen Stil ihr schießt. Das Techniktraining unterschiedet sich nur wenig zwischen Blankbogenschützen und Schützen die mit Visier arbeiten. Der Schußablauf ist mit geringen Abweichungen nahezu identisch.

Sören Spieckermann
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