Mythos "jagdlich gestellt"

"Jagdlich gestellt" im wörtlichen Sinne

Wenn wir an das Wort jagdlich bzw. der Redewendung "jagdlich gestellt" näherkommen wollen dann müssen wir uns erstmal mit dem Hauptwort darin befassen. Der Jagd.

Laut Duden ist die Jagd das "Aufspüren, Verfolgen, Erlegen oder Fangen von Wild". Damit haben wir schon die erste Erklärung warum hauptsächlich 3D Bogenschützen diese Redewendung verwenden und nicht z.B. Feldbogenschützen oder die Schützen die auf einer Wiese auf Zielscheiben schießen. Dem 3D Bogensport wird nachgesagt seine Ursprünge bei den Bogenjägern zu haben die eine Trainingsmöglichkeit abseits der "echten" Jagd gesucht haben. Der Umstand das dabei dreidimensionale Tiernachbildungen als Ziele dienen trägt dem Rechnung.

Aber eigentlich geht es um "jagdlich" und nicht um die Jagd. Mit "jagdlich" wird ausgedrückt das etwas "die Jagd betreffend" ist. In unserem Fall "jagdlich gestellt". Das bedeutet eine Situation ist so gestellt das es die Jagd betreffend ist. Oder anders ausgedrückt: "Jagdlich gestellt" sind Situationen die mit einer echten Jagd vergleichbar sind.

Wenn wir nun mal außer acht lassen das viele 3D Ziele auf Bogenparcours wenig mit ihren echten Vorbildern hinsichtlich Größe etc. zu tun haben. Dann bedeutet "jagdlich gestellt", dem klassischen Wortursprung nach, das der Bogenschütze eine Situation erlebt die mit einer Situation bei einer echten Jagd vergleichbar ist bzw. dieser nahe kommt.

Ich bin jetzt selbst kein Bogenjäger. Ich kenne aber einige Bogenjäger und habe schon so manches Gespräch mit ihnen darüber geführt. Den ein oder anderen Artikel habe ich darüber auch schon gelesen. Auch war ich schon auf der ein oder anderen echten Jagd (aber ohne Bogen, sondern mit Gewehr) dabei. Das macht mich nicht zum Experten, aber ich denke ich kann es einordnen. Wer sich etwas genauer darüber Informieren will, dem sei der Internetauftritt des deutschen Bogenjagdverbands (Deutscher Bogenjagd Verband) empfohlen.

Jagdlich gestellt nach der allgemeinen Bedeutung im Bogensport. Interessant und Anspruchsvoll. In diesem Fall der Schuß durch eine Astgabelung.

Eigentliche Bedeutung von "jagdlich gestellt" bzgl. Bogenparcours

Bei der Bogenjagd wird nur auf relativ kurze Entfernungen geschossen (ca. 15 bis 30m). Damit soll sichergestellt werden das die Durchschlagskraft des Pfeils gegeben ist und das der Bogenjäger auch wirklich sicher ist das er trifft und das Tier damit schnell erlegt ist. Kein Bogenjäger würde einen unsicheren Pfeil auf ein Tier abgeben.  Er muss sich sicher sein das er es damit auch schnell erlegt. Die Gefahr das Tier nicht sauber zu treffen und damit nur zu verletzten (unnötiges Tierleid zu verursachen) würde kein Bogenjäger eingehen. Deshalb würde ein Bogenjäger auch nie einen Pfeil schießen wenn zwischen ihm und dem Ziel irgendwelche Hindernisse sind die u.U. zu einer Pfeilablenkung führen könnten. Oder um es mal kurz auszudrücken:

"Jagdlich gestellt" würde für einen Bogenparcours (nach der Wortdefinition) kurze Entfernungen, leichte Schüsse und freie Schußfelder bedeuten.

Das passt aber irgendwie nicht zu dem Kontext in dem man diese Wörter so liest. Weicht hier die Verwendung im alltägliche Sprachgebrauch von der eigentlichen Bedeutung ab?

Bedeutung von "jagdlich gestellt" im Bogensportsprachgebrauch

Wenn man die ganzen Artikel und Texte von Bogenschützen liest bei denen diese Redewendung vorkommt dann lässt sich daraus etwas ableiten.

Zum einen stellt es anscheinend ein positives Qualitätsmerkmal eines Bogenparcours dar wenn ein Schütze ihn "jagdlich gestellt" nennt. Aus eigener Erfahrung und auch aus vielen Gesprächen mit anderen Schützen und Bogenparcorusbetreibern weis ich das damit eigentlich gemeint ist.  Das der Bogenparcours folgende Kriterien erfüllen sollte um von einem Schützen als "jagdlich gestellt" bezeichnet zu werden.

• Der Bogenparcours muss interessant sein. D.h. unter anderem das er den Schützen auch vor Herausforderungen stellen muss und er damit nicht zu leicht sein darf. Der erste Widerspruch zur eigentlichen Bedeutung.
• Der Bogenparcours muss vielseitig bzw. Abwechslungsreich sein. Es muss Schüsse bergauf wie auch bergab geben damit man unterschiedliche Erlebnisse hat. Kurze und weite Schüsse sollte es geben damit es nicht zu eintönig bzw. zu leicht wird.  Und damit haben wir schon den nächsten Widerspruch zur eigentlichen Bedeutung des Wortes "Jagdlich gestellt".

Wenn man nun etwas mehr in die Sache reinhört dann überwiegt bei dem Ausdruck "jagdlich gestellter Bogenparcours" der Aspekt der "Herausforderung" für den Schützen. ich selbst habe noch nie erlebt das ein Bogenschütze einen Bogenparcours als "jagdlich gestellt" bezeichnet hat wenn dieser sehr leicht gestellt war. "Jagdlich gestellt" ging immer einher mit "schwierigen", aber machbaren Schüssen einher. Das bedeutet nicht das der gesamten Parcours nun aus "schwierigen" Schüssen bestehen muss, aber er darf halt nicht "zu einfach" sein.

Zusammenfassung

Im alltäglichen Sprachgebrauch der 3D Bogenschützen wird "jagdlich gestellt" bzgl. Bogenparcours in einem Sinn verstanden der fast entgegensätzlich zu dem eigentlichen Wortsinn ist. Die eigentliche Bedeutung der Worte wurden zugunsten einer positiven Qualitätsmerkmalsbeschreibung umgedreht.

Ein im wahrsten Sinne des Wortes jagdlich gestellter Bogenparcours wäre für geübte Schützen einfach zu bewältigen. Der Bogenparcours wäre so gestellt das es nahezu sichergestellt ist (Einsteiger ausgenommen) das immer der erste Pfeil ins Kill trift. Auch die Schusssituationen wären immer nahezu gleich (einfache Schußbahnen ohne Hindernisse und optische Täuschungen) damit es dem Bogenschützen möglichst einfach fällt.

Tatsächlich beschreibt das Wort "jagdlich gestellt" im Alltagssprachgebrauch jedoch einen interessanten, abwechslungsreichen  und herausfordernden Bogenparcours. Dieser Bogenparcours stellt den Schützen auch mal vor eine Aufgabe und sichert den Spaß durch Abwechslung und Erfolgserlebnisse.

Gibt es nun den Mythos "Jagdlich gestellt" ?

Ein Mythos ist eine Erzählung einer sagenhaften Geschichte. Im weitesten Sinne auch Ereignisse oder Dinge mit einer symbolischen Bedeutung. Daher kann man durchaus sagen das es den Mythos "jagdlich gestellter" Bogenparcours gibt . Denn der Bogenschütze hatte Spaß. es war ein sagenhaftes Erlebnis für ihn. Der Bogenparcours stellte für ihn ein Symbol eines guten Bogenparcours dar (Qualitätsmerkmal).

Ich hoffe euch mit diesem Ausflug in die sprachlichen Irrungen und Wirrungen des Bogensports ein wenig unterhalten zu haben. Es würde mich freuen wenn ihr ein kurzes Feedback auf facebook oder sonstwo zu diesem Artikel hinterlassen würdet damit ich eure Sicht auf dieses Thema kennenlernen kann.

Gruß

Sören Spieckermann / sfs-archery